Ernährung
Laktosefrei, glutenfrei, zuckerfrei: Ist das gesund?
Milch ohne Laktose, Brot ohne Gluten, Bonbons ohne Zucker – viele Lebensmittel im Supermarkt wecken den Anschein wertvoll für unsere Gesundheit zu sein. Was da wirklich dran ist und wer profitiert.
Der Gang durch die Supermarktregale zeigt: Immer häufiger landen Produkte im Einkaufwagen, die den Hinweis glutenfrei, laktosefrei, zuckerfrei oder fruktosefrei tragen. Nicht in jedem Fall lohnt sich aber die scheinbare Investition in die Gesundheit.
Viele verzichten auf die falschen Lebensmittel
Leider haben sich die sogenannten „Frei-von“-Produkte zu einem Trend entwickelt und sind in immer mehr Supermärkten zu finden. Sicher: Bei bestehenden Unverträglichkeiten können sie sinnvoll sein. Doch nicht Wenige verzichten auf die falschen Lebensmittel. Oft ist gar nicht klar, welcher Auslöser die Beschwerden verursacht. Tests geben nicht immer eindeutige Ergebnisse. Viele denken dann als Erstes an die üblichen Verdächtigen wie Laktose und Gluten, doch manchmal liegt es auch an weniger bekannten Auslösern wie z. B. FODMAPs, Milcheiweiß oder ATIs im Weizen. Auch Lektine oder Störungen der Darmschleimhaut (Leaky Gut Syndrom, hier haben wir darüber ausführlich berichtet) stehen im Zusammenhang mit Unverträglichkeiten.
Frei von Laktose, Gluten & Co. ist deshalb weder ein Qualitätsmerkmal, noch sind sie automatisch gesünder. Viele der speziellen Produkte sind zudem hochverarbeitet und alles andere als naturbelassen.
Damit keine Produkte im Korb landen, die nur auf dem Etikett gesund aussehen, kommt hier unsere Einkaufshilfe:
Glutenfrei – nicht automatisch gut für den Darm
Wer nach dem Genuss von Baguette und Brot mit Bauchgrummeln reagiert, denkt oft als erstes an Gluten. Doch neue Studien zeigen: Gluten wird häufig zu Unrecht verurteilt. Getreide enthält viele schwer verdauliche Inhaltsstoffe, die beim Ruhen des Teigs abgebaut werden. Leider bekommt schnelles Industriebrot heute oft keine Zeit mehr zum Gehen und wandert stattdessen dank Backtriebmitteln in Rekordzeit über die Ladentheke. ATIs können ebenfalls Bauchweh-Ursache sein. Sie gelten als Auslöser der Weizensensitivität. ATIs wurden im Weizen verstärkt herangezüchtet, um ihn widerstandsfähiger zu machen. Sie sind nicht mit Gluten verwandt, kommen aber im Korn zusammen vor. Daneben sind es auch Lektine oder schwer verdauliche FODMAPS, die ebenfalls plagen können.
Das hilft, wenn Brot Bauchgrummeln bereitet: Der Gehalt an vielen schwer verdaulichen Getreidebestandteilen wird durch die richtige Verarbeitung, d. h. eine lange Teigruhe, des Getreides deutlich reduziert. Halten Sie deshalb Ausschau nach einem Bäcker, der nach traditionellen Methoden backt und dem Teig die nötige Zeit gibt. Wenn Sie selber backen, lassen Sie den Brotteig mindestens 4 bis 5 Stunden oder besser noch über Nacht (im Kühlschrank) gehen. Hier finden Sie unser Rezept für besser verträgliches Slow-Baking-Brot. Auch eine Studie der Universtität Hohenheim zeigt: Die Brotzubereitung hat in der Ernährung einen größeren Einfluss auf die Verträglichkeit als die Getreidesorte. Nicht nur bei Reizdarm-Patienten.
Für wen machen glutenfreie Produkte Sinn? In der Praxis entpuppen sich viele Gluten-Unverträglichkeiten als Reaktionen auf andere schwer verdauliche Getreidebestandteile. Es gibt Hinweise darauf, dass ATIs in glutenhaltigem Getreide stärkere Darm-Reaktionen hervorrufen als in glutenfreien. Aber auch in glutenfreiem Mehl sind sie noch enthalten. Nicht immer bringen glutenfreie Produkte deshalb Vorteile, oft sogar Nachteile. Forscher fanden heraus: Wer unnötig glutenfrei isst, kann damit Herz und Gesundheit belasten, da dann Ballaststoffe und B-Vitamine fehlen können. Bei nachgewiesener Zöliakie sind glutenfreie Lebensmitteln dagegen ein Muss.
Ist Weizen ein Problem? Mehr über Weizenseinsitivität und ATIs erfahren Sie in diesem Artikel
Zuckerfrei – nur gesund ohne künstliche Ersatzsüße
Lebensmittel mit dem Aufdruck „weniger Zucker“ oder „zuckerfrei“ erwecken den Eindruck, dass darin ein niedriger Zuckergehalt steckt. Doch trotzdem können künstliche Süßmacher enthalten sein: Statt normalem Haushaltszucker wird dann mit Süßstoffen und Zuckeraustauschstoffen gesüßt. Diese verursachen keinen Blutzuckeranstieg und liefern keine oder nur wenig Kalorien. Doch viele reagieren darauf mit Bauchweh und Darmbeschwerden. Zudem können Sie Heißhunger auslösen und die Darmflora negativ beeinflussen.
Das hilft, wenn Sie weniger Zucker essen möchten: Nur der genaue Blick auf die Zutatenliste verrät, ob versteckte Süßmacher enthalten sind. Acesulfam, Saccharin, Aspartam, Cyclamat und Steviaglycoside sind häufig eingesetzte Süßstoffe. Bei den Zuckeraustauschstoffen sind es Sorbit, Mannit, Isomalt, Maltit und Xylit.
Für wen machen zuckerfreie Produkte Sinn? Weniger Zucker zu essen, ist empfehlenswert. Doch künstliche Süßmacher sind kein guter Ersatz. Zu viel schlägt auf Magen und Darm. Besser: Im Rahmen einer gesunden Ernährung jegliche Süße sparsam einsetzen – und sich lieber einmal am Tag eine „echte“, kleine Nascherei gönnen.
Laktosfrei – kann die Intoleranz verstärken
Die Natur hat wohl vorgesehen, dass kleine Babys Milch gut verdauen können und dafür das Enzym Laktase bilden. Doch wenn sie keine Milch mehr trinken, geht die Enzymmenge stark zurück. Für 90 Prozent aller Erwachsenen ist die Laktoseintoleranz deshalb der Normalzustand. Fehlt das Enzym, kann unser Darm den in der Milch enthaltenen Milchzucker (Laktose) nicht verdauen – Krämpfe und Durchfall sind möglich. Doch fast alle behalten einen Rest aktiver Enzyme, der gewisse Mengen an Milch verträglich macht. Es gibt auch eine sekundäre Laktoseintoleranz: Wenn bei Infekten die Darmschleimhaut in Mitleidenschaft gezogen wird, leidet die Fähigkeit zur Laktoseverdauung ebenfalls. Hat sich der Darm erholt, gibt sich die Intoleranz wieder. Das kann allerdings teilweise einige Wochen dauern.
Das hilft, wenn Sie Milchprodukte schlecht vertragen: Komplettes Meiden von Milchzucker verstärkt die Intoleranz, da unsere körpereigenen Enzyme dann ihre Arbeit komplett einstellen. Probieren Sie lieber aus, welche Mengen Milch Ihnen noch bekommen, um die Verträglichkeit zu erhalten. Viele kommen mit etwa 8 bis 10 Gramm Laktose pro Mahlzeit noch gut zurecht. Eine Menge, die etwa in einem kleinen Glas Milch oder zwei Bechern Joghurt steckt. Lange gereifter Käse ist von Natur aus so gut wie laktosefrei. Aufpassen sollten Sie bei Süßigkeiten, Eis, Backwaren, Snacks, Brotaufstrichen oder Schokolade und sogar Wurst. Hier versteckt sich viel Laktose in Form von Milch- oder Molkenpulver. Wenn auch laktosefreie Milchprodukte Probleme bereiten, ist eventuell nicht Milchzucker die Ursache, sondern Milcheiweiß.
Für wen machen laktosefreie Produkte Sinn? Der Umstieg auf laktosefreie kann Abhilfe schaffen, ein kompletter Verzicht ist in den meisten Fällen nicht nötig. Bei Fermentiertem wie Joghurt ist der Griff zu extra gekennzeichneten laktosefreien Produkten fast immer überflüssig, da diese ohnehin besser vertragen werden.
Fruktosefrei – kein Freibrief für Süßes ohne Reue
Fruchtzucker (Fruktose) essen die meisten leider mehr, als ihnen guttut. Der Fruchtzucker ist Früchten ist dabei weniger ein Problem. Leider wird künstlicher Fruktosesirup von der Industrie massenhaft als billige Süße eingesetzt – z. B. in Soßen, Joghurts, Getränken, Chips, Rotkohl oder Müsliriegeln. Sie entlarven Fruchtzucker unter den Begriffen »Fruktose«, »Fruktosesirup«, »Maissirup« und auch der gesund gepriesene »Agavendicksaft« enthält reichlich davon.
Das hilft, wenn Sie Früchte schlecht vertragen: Seien Sie vor allem vorsichtig bei allen industriell verarbeiteten Produkten und schauen Sie auf der Zutatenliste nach versteckten Fruktosequellen. Beim Zuckeraustauschstoff Sorbit sollten Sie ebenfalls vorsichtig sein. Sorbit reduziert die Fähigkeit unseres Körpers, Fruktose aufzunehmen. Auf Früchte gänzlich verzichten sollten Sie nicht, da sich darin viele gesundheitsfördernden Stoffe befinden und kleinere Mengen Obst in der Regel gut vertragen werden. Allgemein wird Obst besser verdaut, wenn es zusammen mit anderen Lebensmitteln gegessen wird, also z. B. mit etwas Getreide oder nach dem Mittagessen. Auch das Verhältnis von Glukose und Fruktose ist entscheidend: Bananen, Kiwi, Brombeeren und Nektarinen sind besser verträglich als z. B. Birnen und Melone. Allgemein gibt es bei einer Fructoseintoleranz keine grundsätzlichen Verbote. Wie viel Fruktose vertragen wird, ist individuell. Versuchen Sie so oft geht, selber frisch zu kochen. So haben Sie im Blick, was in den Lebensmitteln steckt und meiden automatisch versteckte Fruktose.
Für wen machen fruktosefreie Produkte Sinn? Fruchtzucker kommt auch in normalem Haushaltszucker (Saccharose) vor. Trotzdem wird dieser in der Regel gut vertragen, da die weißen Kristalle zu gleichen Teilen auch Glukose liefern. Wer sich etwas Süßes gönnen möchte, braucht deshalb nicht unbedingt auf die mit Alternativen gesüßten fruktosefreien Spezial-Produkte zurückgreifen. Völlig auf Fruktose zu verzichten, ist bei Forctoseintoleranz nicht nur unnötig, sondern kontraproduktiv. Bei radikalem Verzicht lässt die Fähigkeit der Transpotereiweiße nach. Das heißt, die Fructoseintoleranz verschlechtert sich weiter. Lediglich bei einer selteneren Form, der hereditären Fructoseintoleranz, muss jegliche Fructose gemieden werden.
Fruktoseintoleranz: Ursachen, Auslöser, Behandlung – hier erfahren Sie mehr
So ermitteln Sie Ihre Verträglichkeits-Schwelle
Sie sind unsicher, was der Auslöser für Ihre Unverträglichkeit ist? Bei unklaren Bechwerden hilft die sogenannte Eliminationsdiät: Dabei werden verdächtige Lebensmittel für höchstens zwei bis vier Wochen weitestgehend gemieden, am besten unter Anleitung eines Arztes oder einer Ernährungsberaterin. Bleiben die Beschwerden aus, ist das ein wichtiger Hinweis für die Diagnose. Danach können Sie sich Schritt für Schritt an die Menge herantasten, die Sie vertragen. So gehen Sie sicher, dass Sie auf die richtigen Lebensmittel verzichten und sich nicht unnötig der gesunden Vielfalt an natürlichen Lebensmitteln berauben.